Zwischen Einsamkeitsfreude und Gesellschaft – Alma Mahlers Musizieren in Toblach 1911

Anfang August 1911, wahrscheinlich am 4. oder 5. des Monats, reiste für einen Aufenthalt von wenigen Tagen nach Toblach. Nach der Katastrophe ein Jahr zuvor erlebte er zusammen mit am selben Ort, im Trenkerhof in Altschluderbach, eine Zeit der innigen Zweisamkeit. Musik, von auf dem Klavier vorgetragen – aus der , aus ihren eigenen Kompositionen und aus Musikdrama – spielten dabei eine bedeutende Rolle.

Kurz nach Tod erläuterte ihre Nähe zu den Werken ihres Ehemanns: Seine Musik und die von ihm interpretirte war seit vielen Jahren das Einzige, was meine Ohren vertragen konnten (AM68 vom 3. Juni 1911). Die galt ihr schon länger als das naheste Werk aller Literatur (AM3 vom 18. Juli 1910). Sie kündigte an, ihm in Toblach aus diesem Werk vorzuspielen (AM82 vom 14. Juli 1911). Musikdrama wiederum stellte bereits seit längerem in den Briefentwürfen von eine Leitmetapher für die Beziehung mit dar (WG44, WG54). Auch dieses Werk und schließlich eigene Kompositionen bot am Flügel in Toblach dar (WG185 vom 16. August 1911). Noch nach der Abreise aus Toblach schwärmte dieser von einem vollendete[n] Wechsel von Musik u. Liebe (WG179, kurz nach oder am 7. oder 8. August 1911). Dieses Erlebnis wurde am 23. September 1911 in wiedererweckt, als er seinen Schwager, , Tristan musizieren hörte, außerdem den tiefsten Wunsch äußerte, weitere Werke kennenzulernen (WG204). Er verstand Verbundenheit mit dem Œuvre ihres , vor allem aber ihre Sehnsucht nach den eigenen Kompositionen sehr gut (WG211 vom spätestens 2. Oktober 1911). war glücklich über die lobenden Worte von zu ihrem Klavierspiel, offenbarte jedoch zugleich, keine pianistischen Ambitionen – sondern rein musikalische zu besitzen, die von Zuhörern missverstanden werden könnten (AM115 vom 3. Oktober 1911). Neben der musikalischen Zweisamkeit, die sie zusammen mit in Toblach erfuhr, blieb das Musizieren für (wie ihre eigenen Kompositionen) insofern etwas sehr Intimes, da sie nicht selbst öffentlich auftrat. Es half ihr jedoch bei der Verarbeitung des Todes von , unter anderem auch beim gemeinsamen häuslichen Musizieren mit Tochter (, S. 50). konnte erstmals seit ihrer Heirat mit frei aufspielen, ohne auf dessen Lä\r/mempfindlichkeit Rücksicht nehmen zu müssen (AM83 vom 15. Juli 1911).

Einsamkeitsfreude wurde im Sommer 1911 durch den Besuch der Schwiegerfamilie Rosé gestört (AM85 vom 17. Juli 1911). versuchte aufzumuntern, indem er mit ihrem Mann und den beiden Kindern und ironisch als Rosé Quartett bezeichnete (WG169 vom 17. Juli 1911) – eine Anspielung auf das von gegründete gleichnamige Kammermusikensemble. Im gemeinsamen Musizieren mit ihrem – sie am Klavier, er an der Violine – konnte schließlich doch freudigen Ehrgeiz entwickeln: Zusammen probierten sie, eine noch nicht dagewesene Schwierigkeit zu bekämpfen u. vielleicht zu besiegen: die Musik von einem hypermodernen Engländer – \(Scott)/ – Arnold Schönberg sei dagegen ein Baby (AM88 vom 22. Juli 1911). Kompositionen werden als eine durch teilweise freiere Rhythmen und Harmonien angereicherte impressionistische Musik rubriziert und enthalten mitunter folkloristische und jazzige Anklänge, die sich gleichwohl mit Innovationen im Bereich der Klangfarbenmelodie und freien Atonalität um 1910 musikgeschichtlich nicht messen lassen können. Laut selbst war auf dessen Suite für Violine und Klavier gestoßen und bestellte sodann noch viele weitere Werke des Komponisten, um sie mit zusammen zu spielen (, S. 108). Ein Bestell- und Auslieferungszettel des amerikanischen Musikverlags G. Schirmer Inc., auf dem ihren Brief vom 31. Juli 1911 schrieb (AM96), könnte darauf hinweisen, dass diese damals selbst Noten zu Kompositionen geordert hatte. Schirmer vertrieb Werke von , vor allem für Piano Solo. Dass trotz leichter Gewöhnung an die Gäste (AM89 vom 24. und 25. Juli 1911) noch immer versuchte, allein und ungestört zu musizieren, belegen ihre Briefe an vom 11. (AM97) und 13. August 1911 (AM98). Weiterer Besuch von zwei Musikern aus dem Wiener Opernorchester (AM99 vom 15. August 1911, darunter wahrscheinlich der Flötist ), die ebenfalls mit musizierten, hemmte wiederum aber ihre Einsamkeitsfreude (AM85). Diese vermochte sie schließlich nur an wenigen Tagen des Sommers 1911 genießen, während die Gäste, darunter auch ihre Mutter und Halbschwester , zeitweilig außer Haus waren (AM100 vom 17. August 1911). Am 2. September 1911 reisten letztlich alle Besucher ab und konnte den Rest ihres Toblach-Aufenthaltes wieder nach innen leben (AM104).